Vor der Türe angekommen, klopfen sie zaghaft an. Meisterkoch Maximilian Bamberger öffnet geschäftig, doch als er sie sieht, starrt er sie völlig perplex an.
„Wir wollten fragen, ob wir mal zuschauen oder vielleicht sogar mithelfen dürfen“, druckst Tom herum und fixiert seinen Blick hilflos auf die schwarzen Knöpfe der blütenweißen Kochjacke.
„Hm“, antwortet der kräftig gebaute Koch und zieht seine Mundwinkel weiter nach unten. „Ihr habt mir mein Büffet gestern Abend ja schön versaut. Am liebsten hätte ich Fleischpflanzerl aus euch gemacht!“
Willy, der gerade Zwiebeln, Speck und Essiggurken zuschneidet, macht hinter dem Rücken Bambergers eine eindeutige Bewegung mit dem Messer. Als die Freunde langsam glucksen müssen, dreht sich der Koch zu Willy um und blafft: „Und aus dir auch, wenn du so weitermachst!“
„Ois klar, Chef!“, trompetet Willy beflissen und schneidet schnell weiter. Er weiß, dass sich sein Chef den rüden Kasernenton aus seiner alten Spitzenküche einfach nicht abgewöhnen kann.
„Der Baron bekommt heute Rinderrouladen, zusammen mit einem Berg Erdäpfelpüree (S. 20)“, beginnt der Herr Bamberger ruhig aufzuzählen und überfällt plötzlich seinen armen Lehrling: „Was genau ist Erdäpfelpüree, Willy?“
„Kartoffelbrei, frisch zubereitet!“, pariert Willy wie aus der Pistole geschossen, und der Meisterkoch nickt gnädig. „So … die Appetit-Häppchen sind schon fertig, Räucherfisch und Gemüseaufstrich. Suppe ist eine Zucchinicremesuppe (S. 15) mit gerösteten Weißbrotwürfeln“, fährt er fort, „und zum Abschluss macht Willy heute eine extra große Portion Quarkcreme, da wird vielleicht noch was von übrig bleiben. Wir essen übrigens immer nach dem Baron.“
Der Meister mustert die Youngsters mit spöttischem Blick. „Für uns gibt’s Würstlgulasch (S. 32), dafür könnt ihr den Fleischwurst-Ring schon mal zuschneiden. Für die Zucchini und das Weißbrot und für die Quarkfrüchte brauche ich auch noch jemanden.“
Flink zieht er aus einem Schrank Schürzen hervor und reicht sie herum. „Und wascht euch erst mal eure Pfoten, wenn’s genehm ist. Und Haare zusammenbinden, die Damen und der eine Herr da, Gummis liegen vorne in der Schachtel.“ Frederiks Wangen überzieht ein flüchtiges Rot, während die anderen verstohlen grinsen.
„Wie es in deiner Küche aussieht, so sieht’s hinterher auch auf deinem Teller aus!“, belehrt der Meisterkoch die Freunde weiter, während er die Rinderrouladen fertig klopft und würzt. Schon füllt er sie mit Willys Zutaten und bindet sie im Handumdrehen. „Jetzt geht zu, los, los, los!“, treibt der Koch die staunenden Anfänger an, die sich das nicht zweimal sagen lassen.
Willy wirbelt herum und hilft ihnen dabei, wo er kann: welche Bretter und Messer die richtigen sind, wie groß die geschnittenen Stücke sein müssen und vor allem, wie man sie ansehnlich schneidet. Allen stehen die Schweißperlen bald auf der Stirn.
Waren es Stunden oder doch nur ein paar Minuten? Plötzlich brutzelt und köchelt alles friedlich vor sich hin. Und während der Meisterkoch vorsichtig abschmeckt, pfeift er sogar zufrieden vor sich hin.
„Fürs erste Mal habt ihr euch gar nicht so dumm angestellt.“ Herr Bamberger blickt dem neuen Lehrpersonal tief in die Augen: „Wenn ihr hier aber wirklich mitmachen wollt, reichen pro Schicht zwei von euch Greenhorns – alles klar?“
„Alles klar!“, kommt es kichernd im Chor zurück.
Nach einer Weile trifft der Baron im Speisesaal ein. Willy, der das Essen kunstvoll auf Tellern arrangiert hat, trägt auch die Speisen auf. Alle halten den Atem an.
Willy beginnt mit der Vorspeisenplatte. In Windeseile hat sie der Baron leer gegessen. Auch die Suppe ist schnell verdrückt, von der er zwei Mal Nachschlag verlangt. Für die fünf Rouladen und den Riesenberg Erdäpfelpüree braucht Attila von Griebenbach schon etwas länger. Jedoch zur Enttäuschung aller, es bleibt nichts davon übrig.
Zum Schluss serviert der Meisterlehrling die Nachspeise, gleich eine doppelte Portion mit frischen Früchten. Auch von dieser verlangt der Baron Nachschlag. Und noch einen. Und noch einen. Kein Lächeln gleitet über sein Gesicht. Er mampft und stöhnt und isst so angestrengt, als würde er gerade ein Loch durch eine Betonwand beißen müssen.
Jetzt!, denken alle, als sich der Baron schwitzend und schnaufend zurücklehnt und liebevoll seinen Bauch streichelt, jetzt ist der Sternenfreund sicher sternhagelsatt. Doch falsch gedacht, Herr von Griebenbach verlangt noch einen Nachschlag, weil es so lecker war.
„Kein Attila, der Hungerkönig!“, bemerkt Franzi trocken aus sicherer Entfernung. Zusammen mit den anderen ist sie bereits emsig mit Aufräumen und Putzen beschäftigt. Dabei hängt nicht nur ihr der Magen inzwischen auf Halbmast.
Zum schlechten Schluss bleibt für die Bediensteten nur ein kläglicher Rest in der Quarkschüssel übrig. „Ein klitzekleines Dessert geht immer“, stellt Stoffl fest. „Aber muss es gleich so klein sein?“
Als Willy die enttäuschten Mienen der neuen Küchenhilfen sieht, tröstet er sie: „Das passiert öfter. Die Creme war einfach zu gut, da kann man nichts machen.“
Als auch Joschi und Girgl eingetroffen sind, setzen sich alle zusammen an den großen Küchentisch und vertilgen schweigsam und mit großem Hunger das Würstlgulasch mit Brot. Am Schluss nimmt sich jeder einen kleinen Teelöffel von der leckeren Nachspeise.
„Jetzt habt ihr wenigstens gleich gesehen, was euch hier bevorsteht“, erläutert Bamberger und zieht eine seiner buschigen Augenbrauen steil nach oben. „Unser Baron ist nicht nur ein Gourmet, sondern auch ein ausgemachter Gourmand, also ein richtiger Vielfrass. Und deswegen solltet ihr das wichtigste Spiel auf dieser Burg kennen: das Spiel ‚Mach den Baron satt‘.“